« WIR SOLLTEN EIN MINISTERIUM FÜR SCHLAF INS LEBEN RUFEN. »

Der 23. November 2021 |

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Nicolas Goarant - Schlafspezialist

In seinem Buch «Le sommeil malmené»* (Der misshandelte Schlaf) zeigt Schlafspezialist Nicolas Goarant auf, dass der Schlaf aus dem Schlafzimmer gelockt und zur öffentlichen Debatte werden sollte. In diesem Interview erfahren Sie, warum.

Guter Schlaf liegt vielen Menschen am Herzen und taucht immer wieder in den Medien auf. Doch wie sieht es die Politik?

Auch sie sollte daran interessiert sein, aber das ist leider nicht der Fall. Als ich für einen Abgeordneten der Nationalversammlung arbeitete, stellte ich fest, dass es Arbeitsgruppen zu allen möglichen Themen gab, aber niemand befasste sich mit Schlaf.

Nicolas Goarant

Ist das Thema zu intim für öffentliche Debatten ?

Nein, es betrifft viele verschiedene Bereiche. 2016 stiess ich auf eine Notiz des Thinktanks Terra Nova, die die Sachlage gut zusammenfasste: Im Wesentlichen hiess es dort, dass die Entscheidung zu schlafen zwar persönlich ist, aber die Qualität unseres Schlafs weitgehend von unserem physischen, kulturellen und sozialen Umfeld abhängt. Das hat mich beschäftigt. Wir interessieren uns für den Schlaf von Babys, für schnarchende Menschen, für Betroffene von Apnoe oder Rückenschmerzen, für Schlafgestörte ... Schlaf ist ein Grundbedürfnis wie Essen. Essen hat eine Lobby, Schlaf nicht. Darum sollten wir uns auch dafür starkmachen!

Konnten Sie Ihre Verbindung zur Nationalversammlung nicht nutzen, um etwas zu verändern?

In Paris habe ich temporär einen Laden zum Thema Schlaf eröffnet. Dort verkaufte ich «Bed in a Box». Das sind Schaumstoffmatratzen, die in einer grossen Kiste zu Ihnen nach Hause geliefert werden. Zum Sortiment gehörte auch Zubehör rund um guten Schlaf – von olfaktorischen Produkten über Bettflaschen bis hin zu Kräutertees. Ich stellte fest, dass das Thema Schlaf und seine verschiedenen Aspekte wichtig sind für die Öffentlichkeit. 

Das stimmt: Gut schlafen hängt von vielen Faktoren ab.

Ja, nehmen Sie zum Beispiel das Thema Lärm, es beschäftigt unsere Gesellschaft immer stärker. In Frankreich optimieren wir Strassen, wir setzen auf schallschluckende Beläge, reduzieren den Lärm von Zweirädern, bauen Lärmschutzwände ... Aber das kostet Milliarden und dauert zu lange. Inzwischen beklagen sich immer mehr Menschen, dass ihnen Lärm den Schlaf raubt. In Städten und an Hauptverkehrsadern haben während des Lockdowns viele Menschen festgestellt, dass sie besser schlafen: Der Verkehr hat abgenommen, die Umgebung ist ruhiger geworden..

Livre - Le sommeil malmené

Würde ein Schlafministerium helfen, sich mit dem Problem und all seinen Aspekten zu befassen?

Auf jeden Fall! Es würde verhindern, dass wir es nur unter städtebaulichen oder medizinischen Gesichtspunkten betrachten. Das ist wichtig! Die Grenzen zwischen Tag und Nacht lösen sich auf, weil jederzeit Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe offen haben. Das gleiche Phänomen beobachten wir zwischen Arbeit und Freizeit. Über digitale Werkzeuge ist jedermann jederzeit erreichbar. Das raubt uns den Schlaf und unsere Ruhezeiten…

Kommt hinzu, dass unsere Gesellschaft dazu neigt, Kurzschläfer zu loben ?

Unser Staatsoberhaupt, Herr Macron, behauptet, er schlafe nur vier Stunden pro Nacht! Das war auch bei Arianna Huffington, der Gründerin der Huffington Post, der Fall – zumindest vor ihrem Burn-out. Wir glauben noch immer, dass man im Leben nicht weiterkommt, wenn man schläft. Jeff Bezos, CEO von Amazon, schläft acht Stunden pro Nacht. Und Marschall Joffre hat keine wichtigen Entscheidungen getroffen, ohne zu schlafen. In Wirklichkeit begegnen wir den Momenten des Innehaltens mit Misstrauen. Denn statt die Füsse hochzulegen, könnten wir doch produzieren, konsumieren…

 

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